Sonntag, 14. April 2013

Nisma

Irgendwann sagt auch mal die Welt entschuldigung.
Solang bin ich beschäftigt bei meiner Selbstentrümpelung.
- Maeckes


Ich warte. Ich warte auf einen Entschuldigungsbrief der Welt. Alternativ auch gern eine „Mein herzliches Beileid„-Karte. Beides ist schon lange überfällig. Doch die Welt lebt nach ihrer eigenen Facebook-Philosophie: Wenn ich die Nachricht nicht öffne, merkt auch keiner, dass ich die Bitte absichtlich ignoriere.
Doch, merkt einer. Und zwar ich.
Ich bemerke auch, dass Selbstentrümpelung anstrengend und ermüdend ist. (An dieser Stelle: Entschuldigung, dass ihr meiner mehr oder weniger freiwillig beiwohnen müsst.)

Endlose Selbstentrümpelung. Wenn man fertig ist, steht das nächste Chaos schon vor der Tür und wartet ungeduldig darauf geordnet zu werden. Immer das selbe Spiel. Gedanken ordnen, sich mit Gedanken abfinden, so tun als hätte man sich mit Gedanken abgefunden, Gedanken immer wieder herauskramen und in andere Gehirninterne Ordner packen. Überfüllte Ordner sind schwer. Das merkt man vor Allem, wenn neues Chaos auftaucht und man dementsprechend neue Ordner anlegen muss. Die überfüllten, alten Ordner stehen im Weg, man muss sie hochnehmen, an einem anderen Platz verstauen. Hinterhältigerweise wird man so gezwungen alte Ordner wieder aufzuschlagen. Und da ist sie. Die Unordnung der letzten Jahre, direkt vor mir ausgebreitet.

In alten Ordnern lesen, in Erinnerungen schwelgen die man lieber direkt vergessen hätte. Doch unser Gehirn vergisst nicht. Ordner erstrecht nicht. Alles haargenau dokumentiert. Detaillierter als wir sie im eigentlichen Moment wahrgenommen haben, springen Momente aus den Ordnern und treten uns ins Gesicht. Ich werde sauer und werfe den Ordner in die hinterste Ecke meines Gehirns. Fehler.
Die instabilen, gebogenen Metallstäbe, die alle gesammelten Dokumente im Ordner festhalten sollten, platzen auf und der gesamte Inhalt verteilt sich. In jedem noch so kleinen Zwischenraum nisten sich Erinnerungen ein. Sie bleiben dort, bis man sich aufrafft, alles nochmals durchgeht und zum tausendsten Mal versucht die lästigen Biester für immer zu verbannen.

Zeit vergeht, Motivation kommt und geht. Irgendwann sind alle alten Ordner wieder sicher verstaut und provisorisch versiegelt. Mit Warnhinweisen versehen.

„Vorsicht, Lesen tötet!“
„Lesen fügt ihnen und den Menschen in ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu!“
„Hier finden sie Hilfe, wenn sie das Denken aufgeben möchten: www.rtl.de.“

Warnhinweise sind hilfreich. Sie sollten nicht nur auf Zigarettenschachteln gedruckt werden, sondern auch auf Gehirne. Oder direkt auf Menschen. Wir wären gewarnt und würden uns trotzdem nicht davon fernhalten. Macht bei Zigaretten ja auch keiner. Warnungen und Verbote reizen uns. Wenn man versucht uns etwas zu untersagen, erscheint es uns noch verlockender als es sowieso schon ist.

Ich lese die Warnhinweise auf meinen Ordnern, weiß, dass sie schlecht für mich sind, schlage sie trotzdem wieder auf.
Sitze mitten in meinem eigenen Gedankenchaos, es klingelt an der Tür. Ich mache auf und sehe: Niemanden. Alles was ich sehe, ist ein Stapel unbeschriebener Blätter und eine zerknüllte Notiz:
„Neue Ordner kaufen.“
Ich glaub' es geht schon wieder los. Danke Welt, du mich auch.

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